“Brrrrr! War das kalt.” Ich zog mir den Schlafsack wieder bis zum Kinn nachdem ich im Dunkeln erfolgreich nach der Fernbedienung für die Standheizung gegriffen hatte. Als Alex vor ein paar Tagen mit den Worten “Wir fahren nach Latsch Vegas!” durch die Wohnung gehüpft war hatte ich noch einen Sprachdreher vermutet. “Sicher meinte er Las Vegas.” Alles andere wäre um die Jahreszeit ein Witz.

Pustekuchen. Nur kurze Zeit später standen wir mit unserem Ford Bus auf einem nicht offiziellen Stellplatz bei einer kleinen Kapelle in der Nähe von Latsch im Vinschgau. Es war kurz nach 6 Uhr und ich musste langsam mal auf’s Klo. Aber die aktuellen Minusgrade hinderten meine Extremitäten irgendwie daran auch nur annähernd Richtung Tür zu wandern. Klettern im Vinschgau

Das Vinschgau (Val Venosta) ist ja aufgrund seiner Lage für seinen eigenen Klimatyp bekannt: Niederschlagsarm, hohe Sonnenscheindauer, sowie hohe mittlere Jahrestemperaturen. Davon war hier Nachts aber nicht viel zu spüren.

Als wir Freitag vormittag los gefahren waren und am Reschenpass vorbei kamen hätte ich bei den dort herrschenden winterlichen Verhältnissen nicht im Traum daran gedacht, dass wir knapp 50 km weiter bei angenehm frühlingshaften Temperaturen zwei nette Tage am Fels verbringen würden - und das im Februar.

Was soll’s. Hilft alles nix: “Nur die Harten kommen in den Garten.” Also schälte ich mich aus meinem Schlafsack und startete meine Morgenroutine. Klettern im Vinschgau

Klettern im Februar - hier ist es möglich

Als wir kurz nach 9 Uhr am Fels standen war die Kälteepisode der vergangenen Nacht schon wieder vergessen. Die Sonne schien bereits und verwöhnte die für uns wichtigen Stellen. Es war tatsächlich warm genug dass man es auch ohne Jacke im Freien aushalten konnte. Und man musste keine Angst haben seine Finger aufgrund kältebedinger Gefühlsstörungen am Fels ständig in der Tasche zu vergraben. Ok, ich hatte mich täuschen lassen. Der Wetterbericht für’s Wochenende und Alex hatten recht: 9 Grad, wolkenloser Himmel mit Sonnenschein sind hier in Latsch durchaus kletterfreundliche Temperaturen. Klettern im Vinschgau

Der Granit war einfach super und die beiden Sektoren “Alpingeschichte” und “Latsch Vegas” hatten Routentechnisch genug zu bieten dass sowohl für den Beginner bis hin zum ambitionierten fortgeschrittenen Kletterer was machbares dabei ist. Allerdings fand ich manche Bewertungen schon recht hart. Vor allem im Sektor “Latsch Vegas” die Mirage (6a) ist mir etwas schwer gefallen. Was nicht nur daran lag, dass ich mich hirnrissiger Weise darin aufwärmen wollte. Alex hatte mich schon gewarnt dass die Tour kein Zuckerschlecken sei.

Routendetails an der Wand

Einen Führer braucht man für das Gebiet hier nicht. Die Routen, ihre Schwierigkeit, Länge und Exenanzahl sind alle in jedem Sektor an der Wand zu finden. Ihr könnt also auch spontan mal hin fahren und euch die eine oder andere Tour anschauen. Allerdings solltet ihr mindestens ein 70m Seil dabei haben. 80 Meter wären besser. Klettern im Vinschgau

Auf jeden Fall ist es möglich dort auch im Februar bei wolkenfreien, sonnigen Wetteraussichten einen schönen Tag am Fels zu verbringen. Und das sogar relativ ungestört. Bis mittag waren wir nahezu alleine. Über den Tag verteilt waren nie mehr als 4 Seilschaften gleichzeitig anwesend. In den etwas weiter oben gelegenen Sektor “Latsch Vegas” hat sich offensichtlich kaum wer verirrt - sonst läge die ungeöffnete Sektflasche wohl nicht mehr zwischen der Felsspalte - neben dem Hammer, dem Seilsack und ein paar andere Utensilien.

Erinnerungswert

  • Frühstück im Bus und einen Coffee2Go vom Cafe Psenner an der Latscher Hauptstraße (leckerer Meinl-Cappuccino).
  • Meine Erleichterung darüber die dickeren Daunen-Schlafsäcke von Yeti (Tension Brick 600) gekauft zu haben und nicht die 400er.
  • Mein Versuch den “Bayrischer Traum” (6c) bis knapp zur 3ten Exe im Vorstieg geschafft zu haben - trotz Schmerzen in der rechten Leiste (nicht aufgewärmt und zu hoch angestiegen) und danach wegen der kleinen Kanten im Fingergelenk.
  • Die Pizzeria Jolly in Latsch, die mal ein wirklich wirklich scharfes “Olio picante” am Tisch stehen haben. Ich wiederhole: “Wirklich scharf!” :)

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