“Kletterpartner kann man nie genug haben.” Diesen schlauen Spruch hat mir mein erster Klettertrainer entgegen geschmettert als ich seinen Vermittlungsversuch für eine neue Kletterpartnerin mit den Worten “Nein danke, ich hab schon drei.” ablehnen wollte.
Mit vielen Kletterpartner klettert man auch viel
An dem Spruch ist (vor allem in meinem Fall) etwas Wahres dran. Denn ich besitze mittlerweile recht viele Kletterpartner - 7 an der Zahl. Nicht weil ich gezielt danach gesucht habe, sondern weil es sich einfach so ergeben hat. Und weil es bei jeder einzelnen irgendwie gleich passte.
Durch die unterschiedlichen Kletterpartner, deren unterschiedlichem Leistungsniveau, den Hintergrund warum jeder einzelne klettert und ihre Art ans Klettern ran zu gehen kann man übrigends selbst viel dazu lernen. Jeder einzelne hat andere Vorlieben. Vom Boulderfreak, der Speedkletterin, über die Leisten-Queen bis hin zur Wunderwaffe (die man überall rein schicken kann) ist fast alles vertreten.
Hat man viele Kletterpartner, dann kommt man selten in die Verlegenheit nicht klettern zu können. Denn mindestens einer kann eigentlich immer.
Den passenden Kletterpartner finden ist nicht leicht
Kletterpartner sind essenziell im Leben eines Kletterers. Ohne jemand passenden am anderen Seilende geht nämlich erst einmal gar nichts.
Gleich vorweg: Ich selbst hatte bisher immer großes Glück bei der Wahl. Ich bin aus München und beim abendlichen Blick in die Kletterhallen der Umgebung könnte man meinen Klettern gehört hier zum guten Ton. Daher gibt es in meiner Gewichtsklasse auch viel Angebot und Nachfrage. Und ich bin flexibel was Zeit und Ort angeht. Das sind alles Kriterien die mir die Suche erleichtern und es mir ermöglichen auch mal “Nein” zu sagen.
Ich weiß von anderen, wie schwierig es sein kann jemanden zu finden, dessen Einstellung zum Klettern und Sichern mit der eigenen Vorstellung konform sind. Aber selbst dann sollte man sich überlegen ob es nicht Sinn macht auch mal jemanden abzulehnen sobald man merkt, dass man mit der Gesamtsituation unzufrieden ist.
Es muss nicht gleich der Bund für’s Leben werden. Aber man sollte sich schon vorstellen können mit der Person auch mal mehr als 3 Stunden Zeit in der Halle zu verbringen. Nicht selten geht es irgendwann von der Halle an den Fels. Und spätestens da will man nicht am Ende des Tages - genervt voneinander und Augen rollend - die Flucht nach Hause antreten.
Nicht immer heiligt der Zweck die Mittel
Erschreckend viele sehen in einem Kletterpartner lediglich eine Zweckbeziehung. Einer sucht zu einer bestimmten Zeit jemanden mit dem er klettern kann und gut ist’s. Wie derjenige, dem ich ja in gewisser Weise mein Leben (oder zumindest meine körperliche Unversehrtheit) anvertraue sonst so drauf ist, was er wiegt, wie er sichert - alles sekundär.
Ich bin da anderer Meinung. Ich verbringe meine kostbare Freizeit nur ungern mit Leuten die ich nicht wenigstens sympatisch finde. Und ich will nicht mit jemand klettern dessen Einstellung (zum Klettern, Sichern und dem Leben generell) stark von meiner abweicht. Das führt eher früher als spät zu einem Problem.
Alles beruht auf Gegenseitigkeit
Mein Motto lautet: “Alles beruht auf Gegenseitigkeit.” Unsere persönliche Einstellung oder Meinung zu jemanden reflektiert auf andere zurück. Wenn ich negativ auf eine Person oder Situation eingestellt bin, dann wird sich das auch nach außen hin in irgendeiner Form ausdrücken. Sei es auf den Sicherungsstil, den Kletterstil oder die Art der Kommunikation die man führt.
Der Einfluss eines Kletterpartners auf unser Denken, unsere Stimmung und unsere Leistung während des Kletterns kann immens sein. Eigentlich fast alle Kletterer die ich kennen gelernt habe, klettern aus Hobbygründen. Es sind welche dabei die sich als Klettertrainer etwas dazu verdienen. Aber hauptsächlich sind es Hobbysportler. Wenn ich ein Hobby ausübe, dann weil es mir Spaß macht und ich Freude daran habe. Diesen Spaß und die Freude will ich mit Gleichgesinnten teilen. Natürlich will ich in gewisser Weise auch meine Leistung verbessern. Aber das kommt doch eigentlich automatisch, wenn man mit Spaß an die Sache ran geht, oder?
Beim Klettern spielen so viele äußere Einflüsse eine Rolle, weil sie sich auf die Leistung auswirken (z.B. Ernährung, Schlaf, Stress, etc.). Da gehört der Einfluss, den der Kletterpartner auf uns ausübt ebenfalls berücksichtigt.
Der Kopf muss frei von Negativem sein
Sobald ich merke, dass der Mensch neben mir nur an seinen eigenen Leistungen interessiert ist und mich lediglich als “Sicherungsmohr” braucht, ist er für mich uninteressant.
- So ein Kletterpartner wird sich nie für mich freuen können.
- Er wird mich nie wirklich motivieren können.
- Er sieht mich vielleicht als Konkurrent.
- Und im schlimmsten Fall konzentriert sich die Person mehr auf das übrige Geschehen in der Halle als auf mich.
Ich bin bei so einem Mensch nicht ich selbst. Die Art und Weise wie mein Kletterpartner sich mir gegenüber verhält ist in gewisser Weiße dafür verantwortlich was sich in meinem Kopf abspielt. Hab ich Angst, dann verkrampf ich mich. Ich kann nicht locker klettern. Ich will nicht stürzen. Ergo kann ich mich nicht auf meine Route konzentrieren oder mal was ausprobieren.
Mein Kopfkino erzeugt dann für meine Kletterleistung nicht gerade förderliche Gedanken wie: “Hoffentlich sichert sie gescheit.”, “Wieso quatscht die schon wieder mit dem anderen in der Nebenroute?”, “Warum macht Sie nicht zu?”, “Scheiße, hat die viel Schlappseil, wenn ich jetzt falle…”
Wenn ich mich bei meinem Kletterpartner wohl fühle dann denke ich an gar nichts. Ich kletter einfach. Ich komme in einen Zustand in dem mich nichts stört. Ich weiß ich muss mir keine Gedanken machen was die Person da unten gerade macht. Sie wird voller Aufmerksamkeit bei mir sein - auch für den Fall, dass ich unkontrolliert stürze.
Einfach, weil wir beide die gleiche Einstellung haben (in dem Fall was das Sichern angeht). Wir wissen wie der andere im Falle eines Sturzes reagiert, denn wir üben das regelmäßig. Weil wir wollen dass die andere Person mit uns Spaß hat und ihr nichts passiert, damit der Spaß mit ihr noch lange währt. Weil ich das Gefühl habe, dieser Person nichts beweisen zu müssen. Ich kann auch mal etwas nach dem 5ten Versuch nicht schaffen ohne mich schlecht zu fühlen wegen einem blöden Kommentar meines Sicherungspartners. Ich darf kritisieren ohne dass man mich gleich mit einem Voodoo-Fluch belegt. Und ich erkenne leichter ob ein Lob oder motivierender Zuruf ernst gemeint oder nur so halbherzig dahin gesagt ist.
Kletterbeziehungen muss man pflegen
Um nochmal auf den Leitspruch meines Artikels zurück zu kommen: “Kletterpartner kann man nie genug haben”. Wenn man soviele Kletterpartner hat, dann muss man natürlich auch regelmäßig mit Ihnen etwas unternehmen. Sonst sind es keine Kletterpartner sondern Springer. Die im Notfall einspringen müssen, wenn gerade alle Stricke reißen.
Ein Kletterpartner ist für mich also jemand, mit dem ich regelmäßig klettern gehe. Das kann bei einer Zahl wie meiner unter Umständen stressig sein. Aber es ist möglich. Denn wie überall hat jeder auch mal Phasen wo er gar nicht klettern kann. Weil er krank oder in Urlaub ist oder der Beruf oder die Familie es gerade nicht zu lässt. Hätte ich nur einen oder zwei Kletterpartner wär das für mich also unter Umständen ein Problem. Weil ich dann aus meiner wöchentlichen Regelmäßigkeit gerissen würde. So seh ich die Sache jedoch gelassen wenn mal ein Termin ausfällt. Denn irgendwas geht immer, wenn ich will. Und wenn ich nicht will hab ich einfach einen Tag mehr Regenerationszeit.
Meine ersten 3 Kletterpartner kamen über das “Schwarze Brett” zu mir. Eine wurde mir empfohlen. Durch Sie kam ich wiederum an ihre zweite Kletterpartnerin ran. Die ab und zu mit uns mitkletterte. Aus der sich daraus entwickelten Bekanntschaft entstand ein Geflecht an Kletterfreundschaften und Austausch der jeweils anderen Kletterpartner untereinander. So haben wir immer die jeweils anderen Kletterpartner kennen gelernt. Wir klettern an manchen Tagen im 3er oder 4er Trupp und wechseln uns untereinander ab. So hat man die Möglichkeit regelmäßig etwas zusammen zu unternehmen und auch weiterhin aktiv mit einer Person zu klettern. Außerdem stehen gemeinsame Kletterurlaube oder Kurztripps auf unserem Programm (-> wie Mallorca oder El Chorro).
Aber auch außerhalb unseres Kletterlebens machen wir viel miteinander. Also in der Normalität des Alltags. Sei es Kaffee trinken, eine Runde Joggen oder Yoga, gemeinsam Frühstücken, Skifahren oder Wandern, Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern besuchen, beim Umzug helfen… Oder wie aktuell einer schwer erkrankten Kletterpartnerin seelischen Beistand leisten und moralisch unterstützen.
Fazit
In meinem Fall hat der Spruch “Kletterpartner kann man nicht genug haben”, auch einen anderen Sinn bekommen. Der Hauptzweck ist nicht nur die Tatsache, dass man selten in Verlegenheit kommt nicht klettern zu können. Sondern der, dass man damit die Möglichkeit erhält angenehme Menschen in sein Leben zu lassen. Denn wenn es mal (unabhängig vom Sport) nicht so läuft wie gewünscht, ist man froh über jeden wohlgesonnenen Menschen an seiner Seite. Der einem hilft eine andere Sichtweise auf Dinge oder Situationen zu bekommen, die einen gerade beschäftigen.
Außerdem muss ich jedesmal schmunzeln wenn ich unsere gemeinsamen Gruppenbilder am Fels, sowie obligatorischen Brotzeitfotos anschaue. Die wir uns zu jeder Gelegenheit zuschicken wenn die einen gerade etwas unternehmen, bei dem die anderen nicht dabei sein können.